Montag, 9. Juni 2008

Die "bloße Tradition" des stehenden Angeklagten bei der Urteilsverkündung

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte in ihrer Stellungnahme, mit der sie beantragt hatte, die Beschwerde gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Nichtaufstehens des Angeklagten bei der Urteilsverkündung zu verwerfen, u.a. eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ins Spiel gebracht – aber leider den hinter dieser Entscheidung stehenden Gedanken nicht zu Ende gedacht. Jenes OLG hatte in der angesprochenen Entscheidung ausgeführt: „Verweigert sich der Angeklagte der Anordnung des Vorsitzenden, zur Vernehmung (...) zu stehen, ist das dann nicht ungebührlich, wenn diese Anordnung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Vernehmung nicht erforderlich ist und der Angeklagte bei der Artikulierung seiner Weigerung die Grenzen der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht überschreitet. Bloße Tradition bei einem einzelnen Gericht (...) rechtfertigt die Festsetzung eines Ordnungsmittels nicht“ (NStZ 1986, 233).

Diese Grundsätze sind aber ebenfalls auf Situation des sitzenden Angeklagten bei der Urteilsverkündung zu übertragen: Denn auch für die ordnungsgemäße Durchführung der Urteilsverkündung ist die Befolgung der Anordnung, sich zu erheben, ebensowenig erforderlich wie bei anderen Anlässen, bei denen traditionell gestanden wurde. Wenn „bloße Tradition“ bei einem einzelnen Gericht die Festsetzung eines Ordnungsmittels nicht rechtfertigt, dann vermag auch die „bloße Tradition“ bei vielen Gerichten – wieviele es letztlich auch sein mögen – die Festsetzung eines Ordnungsmittels nicht zu rechtfertigen; „bloße Tradition“ bleibt „bloße Tradition“.

Diese und weitere Gedanken haben wir in unserer abschließenden Stellungnahme in der Sache an das OLG Dresden ausgeführt. Dort wird frühestens am 16. Juni entschieden – bleibt abzuwarten, ob Logik & Argumente oder "bloße Tradition" die dirigierenden Elemente der Entscheidung sein werden...

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