In dem Verfahren um die Totale Kriegsdienstverweigerung von Andreas Reuter geht es immer noch weiter. Kurz zum Stand der Dinge nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz vom letzten September:
Die eingelegte Revision haben wir am 21.10.2008 zurückgenommen. Dies weniger, weil es an dem ergangenen Urteil etwa nichts rechtlich zu kritisieren gegeben hätte - das hätte es sehr wohl, nämlich insbesondere die Durchführung der Berufung selbst, obwohl es sich nachweislich um eine (unzulässige) Sperrberufung der Staatsanwaltschaft gehandelt hat. Die Gefahr allerdings, dass zu dieser Frage, zu der bisher wenig Rechtsprechung existiert, das OLG Dresden sich negativ äußern könnte, haben wir als zu groß eingeschätzt, und gehen daher weiter den Weg, das gesamte Verfahren stattdessen in der juristischen und rechtspolitischen Literatur aufzuarbeiten. Einiges ist hier schon erschienen, andere Aufsätze befinden sich derzeit im Entstehungsprozess - wir werden hierzu später im Jahr eine Übersicht veröffentlichen (s.a. unter "Weitere Infos zum Verfahren" etwa den Artikel in verdikt 2/08 (Zeitschrift der RichterInnen und StaatsanwältInnen in der ver.di)).
Nun geht das Verfahren aber mit einer weiteren "Lustigkeit" weiter. Die Staatskasse hat ihre Rechnung aufgemacht - und möchte gerne für die eingelegte Revision eine Gebühr von 240 EUR erheben. Sie beruft sich dabei auf das Kostenverzeichnis des Gerichtskostengesetzes, Nr. 3130, und zitiert diese Nummer sogar selbst: "Gebühr für Revisionsverfahren mit Urteil oder Beschluss". Nun, gab es in dem Revisionsverfahren ein Urteil oder einen Beschluss? Nein. In einem solchen Fall kann eine (dann: halbe) Gebühr nach Nr. 3131 fällig werden, allerdings nicht "bei Zurücknahme der Revision vor Ablauf der Begründungsfrist". So verhält es sich aber hier - eine Gebühr darf daher gar nicht in Ansatz gebracht werden.
Man könnte nun meinen, nun ja, da ist der Staatsanwaltschaft ein kleiner Fehler unterlaufen, das kann ja mal passieren, da weist man dann drauf hin, und damit sollte die Sache auch erledigt sein. Leider - weit gefehlt.
Zum einen handelt es sich offensichtlich um System. In drei Fällen, in denen die Verteidiger aus dem hier vorliegenden Verfahren in anderen Fällen als Verteidiger tätig waren und ebenfalls zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Revision eingelegt, diese aber vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zurückgenommen wurde, wurde später von der Staatsanwaltschaft eine der Gebühren nach den Nrn. 3130 oder 3131 in Ansatz gebracht und konnte erst auf Rechtsmittel hin wieder aus der Welt geschafft werden. Die Fälle streuen sich auch über das gesamte Land (StA Hamburg; StA Dresden; StA Amberg; nun: StA Görlitz). Es kann nur vermutet werden, dass die Staatskasse hier tatsächlich in geradezu betrügerischer Absicht immer versucht, diese Gebühr zu erheben, auch wenn sie nicht fällig geworden ist; meist sind Verteidiger dann an dem Verfahren nicht mehr unmittelbar beteiligt, und für Angeklagte sind die Rechnungen eh eher ein Buch mit sieben Siegeln, so dass sich vermutlich auch in den seltensten Fällen Widerspruch erhebt - und die Staatskasse auf diese Weise ein einträgliches Geschäft betreibt.
Zum anderen haben wir mit dem sog. Rechtsmittel der "Erinnerung" nunmehr darauf hingewiesen, dass die Revisionsgebühr nicht in Ansatz zu bringen ist. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft die Kosten des Verfahrens noch einmal feiner aufgelistet - unter Wiederholung der unzulässig erhobenen Revisionsgebühr, zur Vorlage an den Bezirksrevisor und zur Weiterleitung an das Amtsgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel. Auch hierzu haben wir noch einmal ergänzend Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass es einer gerichtlichen Entscheidung nicht bedürfen sollte, da die Staatsanwaltschaft die Rechnung schlicht korrigieren könnte (ein weiterer kleiner Fehler ist ebenfalls noch in der Kostenaufstellung gewesen, der aber beinahe vernachlässigbar ist).
Bleibt abzuwarten, ob die StA wirklich auf ihrer (abwegigen) Position beharrt und wenn, wer am berüchtigten AG Zittau ggf. hierüber zu entscheiden haben wird...
Montag, 4. Mai 2009
Die unzulässig erhobene Revisionsgebühr
Dienstag, 9. September 2008
Revision gegen TKDV-Urteil des LG Görlitz eingelegt
Gegen das Urteil des LG Görlitz haben wir zunächst Revision eingelegt. Ob die Revision wirklich durchgeführt werden wird, hängt zunächst auch einmal von den schriftlichen Urteilsgründen des LG Görlitz ab.
Am spannendsten ist dabei eigentlich die Frage, ob das Urteil mit der Stoßrichtung angegriffen werden kann, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft eigentlich als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Hier ist aber ggf. abzuwägen, ob eine hierzu negative Entscheidung des OLG Dresden nicht die unangenehmere Variante darstellt.
In jedem Fall planen wir derzeit folgende weitere Tätigkeiten:
- Aufarbeitung des Verfahrens vom letzten Dezember durch eine Veröffentlichung in politischen und rechtspolitischen Zeitschriften (hierzu gibt es bereits konkrete Planungen)
- Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften zur Frage der möglichen Unzulässigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Berufung (hier sind wir noch auf Autorensuche)
Zu allen Punkten werden wir weitere Details veröffentlichen, wenn es soweit ist.
Freitag, 22. Februar 2008
Revisionsbegründung eingelegt
Die gegen das Urteil des AG Zittau eingelegte Revision ist nunmehr auch begründet worden. Da eine Entscheidung über die Beschwerde gegen die Rücknahme der Zulassung der Verteidiger von Andreas nicht mehr rechtzeitig erfolgen konnte (da der Beschluss den Betroffenen erst zwei Monate später bekannt gegeben worden war), wurde die Revisionsbegründung über den Bremer Rechtsanwalt Günter Werner eingelegt, einem der im TKDV-Recht spezialisierten Anwälte der Republik, der auch schon Detlev Beutner und Jörg Eichler, zwei der Verteidiger im vorliegenden Verfahren, in ihren damaligen eigenen TKDV-Verfahren (1993 / 1999) verteidigt hatte.
Mit 64 Seiten ist die Revisionsbegründung den massiven Verfahrensverstößen entsprechend sehr umfangreich geworden. Auch wenn es sich dabei vom Umfang her schon beinahe mehr um ein Buch handelt als um einen Rechtsmittelbegründungsschriftsatz - die Lektüre sei jedem und jeder halbwegs Interessierten sehr ans Herz gelegt, da sowohl die "Spitzen" des Verfahrens noch einmal nachgezeichnet werden als auch deren rechtliche Würdigung entsprechend weiträumig ausgeführt wird.
Spannend bleibt die Frage, ob dieses Rechtsmittel jemals zur Überprüfung der Vorgänge am Amtsgericht Zittau führen wird. Die Staatsanwaltschaft hält bisher weiterhin an ihrem Rechtsmittel der Berufung fest, auch wenn dies nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren gerade unzulässig ist. Damit hat sie es in der Hand, eine revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils und der dem Urteil zugrundeliegenden Verfahrensfehler zu verhindern, da im Falle der Berufung diese vor der Revision Vorrang hat und die Revision des Angeklagten dadurch "als Berufung" behandelt wird.