Sonntag, 24. Februar 2008

Beschwerdebegründung gegen "Ordnungsmittel" wg. "Ungebühr" eingelegt

"Artig soll der Angeklagte sein, ein Untertan, ein Fibelkind, in den Augen jenen hündischen Ausdruck, mit dem deutsche Soldaten vor ihren Schindern stramm stehen mussten. Hände an die Hosennaht!"
(Kurt Tucholsky: "Deutsche Richter"; 1927)


Nachdem neben den über zwei Monate lang "geheim" gehaltenen Beschlüssen vom 13.12.2007 auch das Protokoll der Hauptverhandlung vom 14.12.2007 übersandt wurde, haben wir nunmehr auch die Beschwerdebegründung gegen das "Ordnungsmittel wegen Ungebühr", sprich 100 EUR (ersatzweise 2 Tage Haft!) wegen des Nicht-Aufstehens von Andreas während der Urteilsverkündung, nachreichen können.

Diese Beschwerde wird direkt vom Oberlandesgericht Dresden entschieden. Es wird spannend sein, wie sich das OLG hier positioniert. War es in den 50'er Jahren geradezu unumstritten, dass der Angeklagte - "strafbewährt" (oder, um es "korrekter" zu formulieren: "ordnungsmittelbewährt") - aufzustehen habe (beim Eintreten des Gerichts, bei Zeugenvereidigungen, bei der Urteilsverkündung), so gab es später die mindestens teilweise Einsicht, dass dieses Prozedere, zumindest was dessen Durchsetzung mit Zwangsmitteln betrifft, nicht einer gewissen Peinlichkeit entbehrt, von der fehlenden konkreten Rechtsgrundlage einmal ganz abgesehen. Viel wurde geschrieben hierüber (vgl. entsprechende Nachweise in der Begründung), dass z.B. "Respekt", der mit Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft erzwungen wird, kaum als solcher zu bezeichnen sein dürfte.

In der Folgezeit erledigte sich das Problem weitgehend, da die RichterInnen - bei Weigerung des Angeklagten - entweder auf das Aufstehen von sich aus kommentarlos verzichteten, zumindest aber - neben eventuellen echauffierten Äußerungen, wie "frech" der Angeklagte sei - von der Verhängung von Ordnungsmitteln absahen.

Gerade in den letzten Jahren haben sich aber einige wenige Richter wieder berufen gefühlt, hier "Flagge zu zeigen". Zwar ist die Verhängung von Ordnungsmitteln weiterhin die absolute Ausnahme (in den letzten etwa 500 Hauptverhandlungen wegen Totalverweigerung - in denen angesichts des politischen Charakters des Strafverfahrens zumindest überproportional eine gewisse Angespanntheit herrschen dürfte - kam es hierzu in gerade einmal vier Fällen (Zittau mitgerechnet!)). Und obwohl auf der Seite der Argumente so ziemlich nichts für die Sanktionierung des Sitzenbleibens eines Angeklagten spricht, sehr vieles aber dagegen, machten es sich die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen immer sehr einfach, indem sie die Argumente schlicht ignorierten. Dies kann natürlich auch im vorliegenden Fall passieren, hier ist aber die Vorgeschichte des Verfahrens noch einmal etwas anders gelagert, nämlich erkennbar davon geprägt gewesen, dass die Rechte des Angeklagten durch den Richter durchgehend massiv verletzt wurden, eskalierend in der Art des "kurzen Prozesses" am 14.12.2007. Es wäre schon die Spitze der Dreistigkeit, von einem Angeklagten nach einem solchen Verfahren "strafbewährt" zu verlangen, dem Gericht als solches eine Art von "Respekt" durch das sich-Erheben abzuverlangen...

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