Montag, 23. November 2009

LG Görlitz widerspricht eigener Rechtsauffassung, um Ablehnungsantrag zu verwerfen

Das LG Görlitz hat in der Ablehnungssache gegen RiAG Ronsdorf, AG Zittau, seinen Beschluss aufrechterhalten. Es hatte - zur Erinnerung - die Ablehnung mit der Begründung verworfen, dass "das Ablehnungsgesuch vom 11.05.2009" sich auf Vorgänge stütze, "mit denen bereits frühere Ablehnungsgesuche, zuletzt das vom 12.12.2007, begründet wurden". Das war nachweislich unwahr. In dem Ablehnungsgesuch waren zwei Vorwürfe erhoben worden, die sich erst am 13. bzw. 14.12.2007 ereignet haben, die also schlechterdings Inhalt eines Ablehnungsgesuchs vom 12.12.2007 gewesen sein konnten. Auf diesen Fehler hatten wir in unserer Gegenvorstellung hingewiesen - das LG Görlitz (Vizepräsidentin des LG Becker sowie Richter am LG Bohner und Strauch) sieht jedoch "keine Veranlassung, die getroffene Entscheidung vom 02.09.2009 abzuändern"!

Wie schaffen die das? Zunächst einmal so: Zu den Vorgängen, die sich am 13. bzw. 14.12.07 ereigneten, erklären sie: "Ein mögliches rechtzeitiges Ablehnungsgesuch ist in dem Fortsetzungstermin am 14.12.2007 nicht gestellt worden." Dazu muss man nun wissen, dass es die gleiche Kammer des LG Görlitz war, in der gleichen Besetzung, die noch am 02.09.09 die Verwerfung der Ablehnung, durch Ronsdorf selbst, wegen "Verspätung" für unzulässig erklärte: "Außerhalb der Hauptverhandlung ist die Ablehnung eines Richters ohne zeitliche Beschränkung zulässig, solange die Entscheidung nicht erlassen ist". Wenn nun der Satz in der neuen Entscheidung, dass ein "mögliches rechtzeitiges Ablehnungsgesuch ... nicht gestellt worden" sei, irgendeine rechtlich relevante Aussage beinhalten soll, dann heißt dies nichts anderes, als dass sich das LG Görlitz nun selbst widerspricht und die Ablehnungsgründe doch als "nicht rechtzeitig" bewertet.

Damit ist diese Ablehnung dann im Einzelnen wie folgt gescheitert: Erstens verwirft der abgelehnte Richter die Ablehnung selbst als unzulässig, weil verspätet. Dann verwirft auf die Beschwerde hin auch das LG die Ablehnung, mit der Begründung: Zwar nicht verspätet - das gibt es außerhalb des Hauptverfahrens gar nicht-, aber verbraucht. Die Gegenvorstellung weist dann darauf hin, dass "verbraucht" schon vom Zeitablauf nicht sein kann - sagt das LG: Na gut, dann halt nicht verbraucht, dann halt doch: verspätet! Wow...

Man muss sich aber auch daneben die Aussage selbst - "Ein mögliches rechtzeitiges Ablehnungsgesuch ist in dem Fortsetzungstermin am 14.12.2007 nicht gestellt worden." - auf der Zunge zergehen lassen. Da sagt also das LG einem Angeklagten, dem am 14.12.07 zu Beginn der Hauptverhandlung plötzlich die Verteidiger entrissen werden und dem im Anschluss auch keinerlei Aussetzung oder auch nur Unterbrechung für wenige Minuten zugestanden wird: Tja, lieber Angeklagter, da haste nicht professionell genug reagiert, da hätteste mal während Deiner Vernehmung einen Ablehnungsantrag in aller Formstrenge formulieren müssen, bis zu Deiner Verurteilung waren immerhin noch über 20 Minuten Zeit! -- Cool. So muss man erst mal drauf sein...

Den Rest erledigen sie so: "Auf die Vortätigkeit des Richters als solche kann daher regelmäßig kein zulässiger Ablehnungsgrund ... gestützt werden." - was allerdings auch niemals jemand behauptet hat: Es ging ja nie darum, dass Ronsdorf schon tätig in der Sache geworden sei, sondern wie er in der Sache tätig war. Und weiter, so das LG: "Die vom Beschwerdeführer für unzutreffend gehaltenen Entscheidungen des Richters in der Hauptverhandlung legen auch nicht den Eindruck der Willkür nahe." Nein, sicher: Die Verteidigung zu entfernen und dem Angeklagten keine Unterbrechung zu gewähren ist natürlich nicht willkürlich. Vielleicht sollte das Verhalten des Richters vielmehr ausgezeichnet werden mit einer Medaille für "Besondere und bisher für unmöglich gehaltene Leistungen bei der kreativen Anwendung der Strafprozessordnung"!?! Und eine Ablehnung seiner Person selbst zu verwerfen unter verbotenem Eintritt in die Begründetheitsprüfung - sich also zum Richter in eigener Sache zu machen - auch das: Ein Verhalten, bei dem der "verständige Angeklagte" keine Regung verspüren darf, "Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters" zu entfalten...

Wir fragen uns: Über das "Menschenbild des Grundgesetzes" ist ja schon viel schwadroniert worden, aber - wie sieht eigentlich das "Menschenbild der Strafprozessordnung" aus...?!